Multiple Sklerose (MS) ist eine Erkrankung des Zentralnervensystems. Das Zentralnervensystem (ZNS) des Menschen ist für die Koordination von Bewegungsabläufen und die Integration von äußerlichen und innerlichen Reizen zuständig.
Die Diagnose MS ist dank der Medizin, insbesondere der verlaufsmodifizierenden Therapie, nicht zwangsläufig mit Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit verbunden. Eine Langzeitstudie der Universität von California ergab, dass nach einer Zeit von zehn Jahren die Hälfte der 517 untersuchten Probanden mit MS keine signifikanten Verschlechterungen ihres körperlichen Zustands erkennen konnte. Auch auf der EDSS-Skala, die die körperlichen Beeinträchtigungen bei MS misst, hatten sich keine Veränderungen ergeben.
Dennoch können im Verlauf der Krankheit immer wieder (vorübergehende) Einschränkungen der Beweglichkeit auftreten. Hinzukommt: Nicht bei allen von MS Betroffenen schreitet die MS sanft voran. 10,7 \\\% der Teilnehmer der o. g. Studie wiesen nach einem Untersuchungszeitraum von 16,8 Jahren einen EDSS-Grad größer oder gleich 6 auf. Das bedeutet, die Betroffenen brauchen ein Hilfsmittel wie eine Gehhilfe, eine Gehschiene oder einen Stock, um 100 Meter am Stück ohne Pause zu gehen. Ab einem EDSS-Grad von 7 ist die Fortbewegung oft nur im Rollstuhl möglich.
Mit Hilfsmitteln wie Gehhilfen, Rollatoren oder Rollstühlen lässt sich ein weitgehend eigenständiges Leben führen. Mit ihrer Hilfe ist es für Menschen mit Bewegungseinschränkungen möglich, nicht nur in der eigenen Wohnung, sondern auch im öffentlichen Raum mobil zu bleiben. Nach einem Pkw-Umbau können viele zudem weiterhin selbstständig am Straßenverkehr teilnehmen. All diese Hilfen gewährleisten damit auch bei körperlichen Einschränkungen die Teilnahme am gesellschaftlichen Leben. Denn Mobilität bedeutet, sich eigenständig bewegen zu können. Sie ist wichtig, um etwa weiterhin einer Arbeit nachgehen oder Freunde treffen zu können, und trägt damit entscheidend zur Lebensqualität bei. Es bedarf manchmal etwas Übung, um sich mit Hilfsmitteln fortzubewegen.
Bei MS gibt es mehrere Möglichkeiten, Bewegungseinschränkungen vorzubeugen bzw. sie trotz fortschreitender Krankheitsaktivität so gering wie möglich zu halten. Als Erstes empfehlen Mediziner i. d. R. möglichst rasch mit einer verlaufsmodifizierenden Therapie zu beginnen. Denn es hat sich gezeigt, dass Medikamente Schübe reduzieren und damit auch die Gefahr für einen Mobilitätsverlust verringern können. Der zweite wichtige Faktor ist Bewegung. Schon ein altes Sprichwort sagt: „Wer rastet, der rostet“ – und das trifft auch auf MS-Patienten zu. Zahlreiche wissenschaftliche Studien haben die positive Wirkung von Sport auf den körperlichen Zustand von Menschen mit MS bewiesen. So haben an der sog. ms-intakt-Pilotstudie 126 Betroffene teilgenommen, von denen etwa die Hälfte insgesamt sechs Monate an einem Internettrainingsprogramm teilnahm, während die andere Hälfte sich nur drei Monate an dem Programm beteiligte. Die Teilnehmer, die sechs Monate lang mitmachten, waren insgesamt fitter, sie wiesen z. B. eine stärkere Beinkraft und eine bessere Lungenfunktion auf. Auch die Gehfähigkeit kann sich durch Bewegung bessern. Das legt eine Untersuchung von Erin M. Snook von der Universität Illinois nahe.
Körperliches Training bei MS ist daher unerlässlich – auch für MS-Patienten, bei denen bereits Beeinträchtigungen des Bewegungsapparats vorliegen. MS-Betroffene sollten ein körperliches Training auswählen, das sowohl an den eigenen Möglichkeiten als auch an den jeweiligen sportlichen Interessen ausgerichtet ist. Denn nur, wer Spaß am Sport hat, hält auch über einen längeren Zeitraum durch. Trainieren lässt sich auch mit Rollator oder mit Rollstuhl – es gibt spezielle Trainingsgruppen für Menschen mit körperlichen Einschränkungen und Rollstuhlsport. Bei Personen mit einem hohen EDSS-Grad kann die Aktivierung des Bewegungsapparats auch passiv, z. B. durch einen Physiotherapeuten, erfolgen.
Für Menschen mit MS, die ersten Einschränkungen der Gehfähigkeit unterworfen sind und/oder sich nicht sicher auf den Beinen fühlen, gibt es zahlreiche Hilfsmittel, mit denen sie sich sicher in der eigenen Wohnung und im Freien fortbewegen können. Zu den Hilfsmitteln, die als Erstes infrage kommen, zählen Gehstöcke, die beim Gehen Sicherheit verleihen. Heutzutage gibt es nicht nur den klassischen Gehstock. Jüngere Menschen ziehen i. d. R. Nordic-Walking- bzw. Wander- oder Trekking-Stöcke vor, die auch von Sportlern verwendet werden. Auf diese können sich Betroffene einerseits beim Gehen stützen (besonders bergab), andererseits machen sie nicht den Eindruck eines medizinischen Hilfsmittels.
Genau wie der klassische Gehstock sind Wander- oder Trekkingstöcke oft höhenverstellbar, sodass sie sich an verschiedene Situationen beim Gehen (z. B. bei der Bewegung in unwegsamem Gelände) anpassen lassen. Auch der klassische Gehstock ist in verschiedenen Variationen erhältlich – etwa mit anatomischem Handgriff oder mit mehreren Füßen für einen sicheren Halt beim Abstützen. Herkömmliche Gehstöcke haben i. d. R. einen rutschsicheren Fuß, der gleichzeitig Fußböden schont und damit für den Gebrauch in der Wohnung geeignet ist. Auch Unterarmgehstützen können als Hilfsmittel die Mobilität fördern, etwa wenn ein Bein weniger stark belastet werden kann als das andere.
Noch mehr Sicherheit beim Gehen bieten Rollatoren, auch Gehwagen genannt. Dank ihrer vier Räder können Menschen mit Bewegungseinschränkungen sich beim Gehen ständig auf sie stützen und müssen das Hilfsmittel im Gegensatz zum Gehstock nicht bei jedem Schritt anheben. I. d. R. verfügen Rollatoren über eine Handbremse und einen Sitz, die es erlauben, sich bei längeren Wegen zwischenzeitlich auszuruhen. Der Umgang mit dem Rollator sollte geübt werden, insbesondere das Queren von Bordsteinen, die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel oder das Gehen auf Wegen mit Gefälle. Deshalb empfiehlt sich nach der Anschaffung ein Rollatortraining. Viele Sportvereine, die Verkehrswacht, aber auch Krankenkassen bieten solche Trainings an. Ein Rollatortraining lohnt sich u. a., um möglichst wenig Kraft bei der Verwendung des Hilfsmittels aufzuwenden. Denn Menschen, denen das Gehen mit Rollator zu anstrengend ist, bewegen sich weniger. Und das steht dem Ziel entgegen, mit MS mobil zu bleiben.
Die Kosten für ein solches Hilfsmittel erstatten die gesetzlichen Krankenkassen unter der Voraussetzung, dass ein Arzt sie verordnet. Es werden allerdings Zuzahlungen fällig – i. d. R. 10 \\\% des Abgabepreises, wenigstens 5 Euro, maximal 10 Euro. In den meisten Fällen muss der Patient mit einem Standardmodell vorliebnehmen, sofern keine medizinische Notwendigkeit für eine andere Variante besteht.
Auch ein Rollstuhl gilt als erstattungsfähiges Hilfsmittel. Da es jedoch zahlreiche Rollstühle für verschiedene Bedarfe gibt, sollten sich von MS Betroffene vor der Anschaffung zunächst überlegen, welches Modell für sie am besten geeignet ist. Der sog. Standardrollstuhl sowie der Leichtgewichtrollstuhl sind für Menschen, die sich selbstständig fortbewegen wollen, i. d. R. ungeeignet, da sie sich nur mit großem Kraftaufwand selbst fahren lassen. Für aktive Menschen mit guter Armkraft eignen sich eher Aktiv- oder Adaptivrollstühle, die oft einen starren, also nicht faltbaren Rahmen besitzen. Damit lassen sie sich zwar u. U. schwieriger ins Auto laden, allerdings werden sie i. d. R. genau an den Fahrer angepasst, sind leichter als faltbare Rollstühle und ihre Fahreigenschaften sind dank des starren Rahmens oft besser. Sie verfügen meistens über Greifreifen, doch es gibt auch die Möglichkeit, den Rollstuhl mit einem Handhebel fortzubewegen. Wer zwischendurch Unterstützung beim Fahren braucht, für den gibt es auch die Möglichkeit, den Rollstuhl mit einem elektrischen Zusatzantrieb auszurüsten. Auch für längere Strecken bzw. für Fahrten im bergigen Gelände ist ein elektrischer Zusatzantrieb eine Hilfe.
Für Menschen mit MS, die nicht über genügend Armkraft verfügen, aber trotzdem mobil bleiben wollen, eignen sich Elektrorollstühle. Diese sind in verschiedenen Ausführungen erhältlich. Sie haben einen Motor und können ohne größeren Kraftaufwand, z. T. nur mit wenigen Fingerbewegungen, bewegt werden. Stehrollstühle mit Elektroantrieb ermöglichen auch Menschen das zwischenzeitliche Stehen, die ohne Hilfe nicht allein stehen können. Ein solcher Stehrollstuhl kann sowohl im Haushalt als auch bei der Arbeit hilfreich sein und trägt auch bei schweren körperlichen Einschränkungen dazu bei, ein möglichst selbstständiges Leben zu führen. Daneben gibt es noch Spezialrollstühle, z. B. Sportrollstühle oder Handbikes für besonders Aktive.
Das Auto umzubauen, ist ein weiterer Weg, um mobil zu bleiben – insbesondere dann, wenn die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel schwerfällt oder nicht möglich ist. Die Pkw-Umrüstung kann für viele Menschen mit Bewegungseinschränkungen sinnvoll sein, nicht nur für Rollstuhlfahrer. So können bei Problemen mit der Armkraft z. B. Lenkhilfen eingesetzt werden. Dazu gehören z. B. ein Griffknauf am Lenkrad, mit dem das Lenkrad mit einer Hand bedient werden kann, elektronische Lenksysteme, die ebenfalls bei geringer Kraft zum Einsatz kommen, oder sog. Linear-Hebel-Lenkungen, die das Lenken mit ein paar Fingern oder sogar mit dem Knie ermöglichen. Handbediengeräte für Gas und Bremse sind bei eingeschränkter Bewegungsfähigkeit der Beine sinnvoll, und für manche Funktionen wie das Anschalten der Scheibenwischer oder der Lichtanlage gibt es Sprachsteuerungen. Für Rollstuhlfahrer sind spezielle Einstiegshilfen erhältlich. Zum eigenständigen Verladen des Rollstuhls gibt es zudem Verladelifte, die vom Fahrersitz aus bedient werden können und den Rollstuhl z. B. hinter den Fahrersitz heben. Rollstuhlfahrer können den Sitz auf diese Weise selbstständig ein- und ausladen.
Solche Umbauten sind u. U. kostspielig, doch Menschen mit Behinderung, die auf ein Auto angewiesen sind, um ihren Arbeitsplatz zu erreichen oder eine berufliche Qualifikation zu erwerben, erhalten dafür oft Zuschüsse. So legt die Kraftfahrzeughilfeverordnung fest, dass die Anschaffung eines behindertengerechten Wagens mit bis zu 9.500 Euro gefördert werden kann. Die Kosten für den Umbau tragen verschiedene Kostenträger, wenn der Wagen beruflich benötigt wird – bei Personen, die 15 Jahre Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung gezahlt haben, ist das etwa die Rentenversicherung. Auch wer das Auto nicht beruflich nutzt, kann laut § 8 Eingliederungshilfe-Verordnung nach dem zwölften Sozialgesetzbuch (SGB XII) Zuschüsse für die Beschaffung eines Pkw und Geld für Umbauten erhalten, wenn das Auto für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben nötig ist.